Berichte

Lichtblicke im Schwarzwald

Wie fängt nan denn so einen Text an? Wie fasst man ein Laufwochenende mit knapp 100 Kilometern, über 4.000 Höhenmetern zusammen? Ein Wochenende, von den man knapp 12 Stunden im tiefsten Schwarzwald verbracht hat? Und damit meine ich nicht ein nettes Dorf im Schwarzwald, sondern Schwarzwald-Wald.

Fangen wir doch einfach Anfang des Jahres an. Ich bin nämlich der, der die tollen Läufe findet, sie dann aber nicht läuft. Und dann ist da Claudi, Patentante unseres Sohnes, Laufbuddy in crime since 2010 und mittlerweile Ultra-Rakete. Sie war es, die sich schon vor mir für den Haria Extreme anmeldete und mich auch dazu brachte, in Simonswald an den Start zu gehen. Bei den Black Forest Trail Masters.

Die Eckdaten:
Am Samstag 58 Kilometer mit 2.200 Höhenmetern, am Sonntag 35 Kilometer mit 1.800 Höhenmetern. Aus meiner Sicht ein ziemliches Brett. Denn ich bin zwar im Juni schon 63 Kilometer um die Zugspitze und im August 70 Kilometer auf einer Tartanbahn gelaufen, aber meine letzten langen Läufe fühlten sich zwar wahnsinnig lang an, waren es aber nicht. Deswegen hatte ich am Samstag Morgen nicht nur Claudi und Christian im Auto, sondern auch seit langem mal wieder eine gehörige Portion Nervosität im Gepäck. Zu viele offene Fragen: Wie würde es jenseits Kilometer 35 laufen? Auf einer Strecke mit viel mehr laufbaren Passagen als in den Alpen? Und wie würde es mir am Sonntag gehen? Ich weiß zwar, dass ich recht schnell regeneriere, aber so derbe hatte ich es mir bisher noch nie gegeben. Jedenfalls nicht beim Laufen. Haha. Andererseits: In gut vier Wochen sind 94 Kilometer aufgerufen. Am Stück. Da sollte ich die Distanz in zwei Tagen schon schaffen. Der Schwarzwald als Härtetest für die Kanaren.

Die größte Herausforderung stand schon vor dem Start an: Die Anreise. Der Wecker klingelte um 4:00 Uhr. Um 5:00 sammelte ich meine Mitfahrer ein und um Punkt sieben waren wir in Simonswald. Dazwischen lagen 60 Minuten Autobahn und 60 Minuten kurvige Fahrerei durch den Schwarzwald inklusive Radarfalle. Zu schnell. Das würde mir das restliche Wochenende garantiert nicht mehr passieren.

Grund für das frühe Aufstehen: Start um 8:00 Uhr. Das Schöne an so einer kleinen Veranstaltung ist das Ausbleiben jeglicher Hektik. Kein Stress bei der Startnummernausgabe, kein Anstehen am Dixiklo, kein Dixiklo. Bei 60 Startern konnte man sich sogar die Schultoilette aussuchen. Und während man bei großen Veranstaltungen ewige Zeiten im Startblock ausharren muss, war es in Simonswald wie so oft bei Ultraläufen: Die Teilnehmer mussten mehr oder weniger an die Startlinie geschoben werden.

Was zwischen 8:00 und 16 Uhr dann passierte, ist relativ schnell erzählt: Ich hatte mir vorgenommen, das Ganze so langsam wie möglich anzugehen, weil ich echt großen Respekt vor den letzten 20 Kilometern hatte. Trotzdem freute ich mich auf einen schönen Tag im Schwarzwald. Im Hinterkopf hatte ich höchstens noch den Zielschluss nach neun Stunden. Die Sonne kam raus, der Frühnebel verflüchtigte sich und der Schwarzwald präsentierte sich von seiner schönsten Seite.

Aber so richtig rund lief es irgendwie nicht: Die Hüfte links, das Sprunggelenk rechts und die Sorge, ob ich knapp 60 Kilometer wirklich schaffen würde, hemmten mich etwas. Also packte ich die bewährte Ultra-Taktik aus und zerlegte die Strecke in Segmente. Praktischerweise kamen die gut ausgestatteten VPs auch immer nach ca. zehn Kilometern. Perfekt, um sich Zwischenziele zu setzen. Nach absolvierten 20 Kilometern stand also nur noch ein langer Lauf an und für den VP bei KM 30 hatte ich mir Cola und Musik als Belohnung versprochen. Außerdem zeigte ein Blick aufs Handy, dass meine Nichte nach neuen Tagen Verspätung endlich das Licht der Welt erblickt hatte. (Falls Du das irgendwann mal zufällig liest: Hallo Ella!)

Ab Kilometer 30 ging es also weiter. Mit Musik in den Ohren, Koffein in der Blutbahn und einem weiteren Onkelamt auf den Schultern. Tja und ab da lief es. Die magische Wirkung von Cola auf meinen Organismus konnte ich ja schon in Lichtenstein erleben. Im Schwarzwald gab es den Wundersaft bereits ab dem ersten VP. Ich muss mal testen, ob ich noch früher damit anfangen kann oder ob dann ein Einbruch kommt.

Jedenfalls fühlte sich die zweite Hälfte des Laufs deutlich besser an als die erste. Und sogar die letzten flachen Kilometer zurück nach Simonswald konnte ich noch laufen. Dabei hasse ich eigentlich letzte flache Kilometer! Und so ging es nach knapp acht Stunden über die Ziellinie – gefeiert von zahlreichen Zuschauern (leider nicht im Bild):

Anschließend: Duschen, Tannenzäpfle trinken, Nachtlager in der Turnhalle aufbauen, eine gute Pizza im Ristorante „Sonne“ essen und zeitig ins Bett gehen. Die Nacht in der Turnhalle war dank Boden- und Isomatte ganz okay, wenn auch nicht toll. Das lag allerdings nicht daran, dass sie überfüllt war. Und den fünf anderen Hallenschläfern hat auch nur einer geschnarcht! Trotzdem wäre ich morgens gerne noch liegen geblieben. Aber hilft ja nix: Frühstück um 7:30. Nicht in der Sonne, sondern im Hirschen. Gastronomische Vielfalt in Simonswald. Ihr kennt das Problem, vor einem Lauf nichts frühstücken zu können? Wenn ihr am Tage zuvor acht Stunden unterwegs wart, habt ihr es nicht. Wir mussten uns ziemlich zusammenreißen, der Reisegruppe nicht das Büfett wegzufressen. Deren Glück, dass wir noch etwas vorhatten.

Am Sonntag starteten wir erst um 9:00. Und so schön wie das Wetter am Samstag gewesen war, so mies war es am zweiten Tag. Es regnete vor dem Start und pünktlich zum Start dann so richtig. Props an die Organisatoren, dass die gesamte Strecke nochmals nachmarkiert wurde. Diesmal ging es sofort nach Verlassen des Schulhof in die komplett andere Richtung und nach ca. fünf Kilometern Einrollen ging es ans Eingemachte. Am Start fragte ich mich noch, wie müde meine Beine vom Vortag wirklich sind. Nach dem ersten Anstieg und 500 Höhenmeter später wusste ich nicht mehr, ob sie vom Vortag schmerzen oder wegen der jüngst erlebten Strapazen. Vermutlich habe ich damit das Geheimnis erfolgreicher Etappenläufer entdeckt! Die Strecke an Tag 2 war deutlich trailiger und die zwei Anstiege deutlich giftiger als am Vortag. Ich mag sowas ja. Durch den Regen war der ganze Wald nebelverhangen und oft sah man die anderen Läufer nur schemenhaft. Das war so toll, dass ich mich wirklich schwer tat, den Dauerregen zu verfluchen – auch wenn es statt toller Ausblicke nur eine graue Wand gab.

35 Kilometer als langer Trainingslauf bei schlechtem Wetter wären eine echte mentale Herausforderung gewesen. Aber als Wettkampf? Nachdem man am Tag zuvor schon viel mehr geschafft hatte? Selbstläufer! Naja, fast. Aber ich mochte die Strecke und hatte wie schon am Vortag die meiste Zeit meine Ruhe. Herrlich. Zwischen dem VPs bei Kilometer 20 und 30 hatte ich den mystischen Schwarzwald ganz für mich alleine – inklusive des einen oder anderen Fotostopps.

Doch ein paar Kilometer vor dem Ziel tauchten auf einer Wiese auf einmal vier Läufer vor mir auf! Für Simonswalder Verhältnisse also quasi eine Menschenmenge. Außerdem zeigte ein Blick auf die Uhr, dass ich tatsächlich noch die Chance hatte, unter fünf Stunden ins Ziel zu kommen. Also verließ ich ein einziges Mal an dem Wochenende den Komfortmodus und konnte noch zwei von ihnen überholen. Den Dritten hätte ich auch noch geholt, aber auf der Zielgerade macht man das nicht, oder? Ins Ziel kam ich mit dann mit 5:00:13. Ich hätte den Fliegenpilz nicht fotografieren sollen. Oder zumindest nicht drei weitere.

Danach same procedure as yesterday. Zielbier, Dusche und dann Siegerehrung. Diesmal wurden nicht nur die Tagesstarter geehrt, sondern auch die Gesamtsieger – und zwar so richtig. In jeder AK wurden die Top 3 prämiert. Bei dem kompakten Starterfeld ging so fast niemand mit leeren Händen nach Hause – und das schreibe ich als Drittplatzierter meiner AK. Claudi war nicht nur schnellste Dame am Samstag, sondern auch am Sonntag. Da muss man nicht gut in Mathe sein, um zu wissen, dass sie die Black Forest Trail Masterin 2017 ist. Zum Glück hatten wir noch Platz im Auto, denn ihr Preis war ein Liegestuhl!

Fazit: Geiler Scheiss. Endlich mal wieder ein paar Schritte außerhalb der Komfortzone gemacht: Strecke zu lang für die Vorbereitung, erstmals ein zweitägiger Wettbewerb, kleine Veranstaltung, Übernachten in der Turnhalle. Viele Variablen also, die ich so gerne ausschließe. Umso schöner, wenn dann alles perfekt läuft. Denn neben dem Erlebnis bleibt die Gewissheit, was man kann. Und das gute Gefühl, dass 94 Kilometer mit 3.000 Höhenmetern auf Lanzarote in weniger als 20 Stunden eigentlich machbar sein sollten.

Wer mal in die Welt der Etappenläufe reinschnuppern möchte, dem kann ich die Black Forest Trail Masters nur empfehlen: Top organisiert und schöne Strecken. Am Samstag etwas mehr Wald und Wiesen; am Sonntag ordentlich Trails.

Einen Termin gibt es auch schon: 6./7. Oktober 2018.

Falls ihr tatsächlich bis hierhin gescrollt habt, noch eine kleine Anekdote von Kilometer 45:
Ich ploppte aus dem Wald heraus und stand auf einer Straße. Vor mir ein Ortsschild. Das Kaff hieß tatsächlich Wildgulasch! Spontan stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn am nächsten VP ein großer Topf mit Wildgulasch stünde. Nach weiteren drei Mal lesen stellte sich leider heraus, dass dort in Wirklichkeit „Wildgutach“ stand. Den imaginären Geschmack einer Sauce mit viel Rotwein bin ich trotzdem nicht mehr losgeworden.

10 comments on “Lichtblicke im Schwarzwald

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