Vorab meine Erkenntnisse des gestrigen Laufs:
- Ich kann um 4 Uhr aufstehen
- Man kann für einen Kilometer bergauf 13 Minuten benötigen
- Man kann für einen Kilometer bergab 8 Minuten benötigen
- 600 Höhenmeter am Stück sind ziemlich anstrengend
- 600 Höhenmeter am Stück sind mehr Speedwandern als laufen
- Ich kann endlich einschätzen, was mich beim Zugspitz-Basetrail erwartet
- Ich kann endlich einschätzen, wie lange ich für den Zugspitz-Basetrail benötigen werde
Nach einem bisher verheerenden Mai habe ich die Gelegenheit in Form eines Familien-Wochenendtrips an den Bodensee genutzt, um so zu laufen, wie es in Stuttgart nicht möglich ist. Der Pfänder bietet mit seinen 1064 Metern und einem Aufstieg von gut 600 Höhenmetern perfekte Bedingungen für die Vorbereitung auf den Zugspitz Basetrail.
Das Problem: Auschecken bis um 9:30.
Der Plan: Aufstehen um 4:00 Uhr, mit dem Auto nach Lochau, hoch auf den Pfänder, runter nach Bregenz, Fuß in den See halten, Frühstück in Form eines Riegels und dann das ganze wieder zurück.
Die Realität: Ganz anders als erwartet und einfach großartig. Klar, auch hier in Stuttgart kann man ordentlich Höhenmeter sammeln. Aber hier gibt es fast keine Passagen, die man nicht im Laufschritt absolvieren kann. Denn die steilen Rampen sind nur kurz. Das war am Pfänder komplett anders. Es ging sofort ordentlich hoch und ich konnte nur die flacheren Abschnitte laufen. Der Rest war Speedwalking. Trotzdem ist es ein ziemlich geiles Gefühl, wenn man die Zeit-Angaben auf den Wegweisern durch zwei teilen kann. Statt der avisierten zwei Stunden benötigte ich 50 Minuten bis ich oben an dem Antennenmast stand. Der Blick über den Bodensee war natürlich grandios, aber viel beeindruckender war die Gewissheit, eine knappe Stunde zuvor noch da unten gestanden zu haben. Da es erst kurz nach sechs war, konnte ich den Ausblick dazu noch ganz alleine genießen. Erst auf dem Abstieg nach Bregenz kamen mir die ersten Wanderer entgegen. Der Weg war nicht nur steil, sondern teilweise auch völlig verwurzelt oder bestand aus faustgroßen Kieselsteinen, die aus einem Downhill einen Slowhill machten. Nur weil es runter geht, muss das noch lange nicht bedeuten, dass es schnell geht. Wieder was gelernt.
Ein Kontrollblick auf die Uhr im Bregenzer Hafen zeigte, dass ein zweiter Durchgang noch drin ist. Also auf leicht anderen Pfaden wieder hoch, Rundumblick genießen und wieder runter zum Auto. Nach 2:45h hatte ich knapp 20 Kilometer und 1.400 Höhenmeter auf der Uhr. Und ein einmaliges Erlebnis im Gedächtnis. Auf unbekannten Wegen auf den Gipfel des kleinen Bergs hochzulaufen ist dann doch etwas anderes als den Stuttgarter Kessel rauf- und runterzurutschen. Und es hat extrem viel Spaß gemacht. Ich hätte gerne noch einen dritten Aufstieg versucht. Ob die Kraft gereicht hätte? Ich glaube schon, auch wenn es ziemlich heftig geworden wäre. Aber die Zeit reichte überhaupt nicht mehr.
Jedenfalls kann ich mir jetzt zum ersten Mal konkret vorstellen, was uns auf dem Weg von Mittenwald nach Grainau erwartet und Frage mich, ob das eher ein gemütlicher Wandertag oder eine Schlacht mit brennenden Oberschenkeln wird. Das Gute daran: Ich kann es selbst entscheiden. Ich habe auf jeden Fall mal wieder festgestellt, dass mir die Art des Laufens wahnsinnig viel Spaß macht. Und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich auch auf Bergwanderungen oft habe: Man ist in einer anderen Welt. Steine, Bäume, Wurzeln, Wasserfälle. Auch das kann man hier in Stuttgart erleben, aber es kann sein, dass man schon zwei Abzweigungen später neben der A8 steht. Das war Sonntag komplett anders und es war herrlich. Vor langer Zeit hatte Rebekka in ihrem Blog mal was von der „Sehnsucht nach draußen“ geschrieben. Ich bin mir sicher, dass auch ich ein Opfer davon bin. Ich habe derzeit wenig Lust, mit vielen anderen Läufern durch mehr oder weniger hässliche Städte zu laufen. Das ist zwar auch draußen, aber eben nicht wirklich. Ich möchte solche Erlebnisse wie am Sonntag. Wenn sich ein Weckerklingeln um 4:00 Uhr irgendwie richtig anhört. Wenn man keine Ahnung hat, wie es nach der nächsten Kurve weitergeht. Wenn man sich beherrschen muss, nicht ständig Fotostops einzulegen, weil die Ausblicke so grandios sind.
Ob es mir auch dann noch Spaß macht, wenn das Tempo etwas höher ist, teste ich nächsten Samstag beim Skyrace des Trail-Magazins. Wobei ich mir immer noch vorkomme wie jemand, der sich mit einem Bobbycar zu einem Formel 1 Rennen angemeldet hat. Aber wir werden sehen.
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