Ich bin niemand, der beim Laufen groß nachdenkt. Schon gar nicht bei Wettbewerben. Startschuss, Laufen, Zielbier. Hat bisher immer gut geklappt. Egal, ob ich meine angepeilten Zeiten geschafft habe oder nicht. Großartige Zweifel sind mir unterwegs nie gekommen. Den Gedanken daran, einen Rennen vorzeitig zu beenden, hatte ich noch nie. Das wollte ich mir für Zugspitz Ultratrail im Juni aufheben.
Doch dann kam Rodgau.
Da wollte ich am vergangenen Samstag die 50 Kilometer laufen. Unter 5 Stunden. Ich hatte den Trainingsplan bis auf eine kleine Einheit problemlos durchgezogen und hatte als längsten Lauf 45 Kilometer absolviert. Nicht mal erkältet war ich! Also eigentlich ein Selbstläufer. Oder?
Und dann das: Schluss nach 40 Kilometern. Klar, es lief sich nicht so flockig wie erhofft und nach 25 Kilometern fühlten sich meine Beine eher an wie nach 35. Und ja, mein Magen war auch nicht 100%ig okay und ich hatte mir irgendwie eine kleine Blase gelaufen. Aber nach 20 Kilometern hatte ich nicht nur mit Chris einen perfekten Begleiter gefunden, sondern wir lagen nach acht Runden auch noch perfekt im Zeitplan. Ich hätte komfortable 67 Minuten gehabt, um die 50 Kilometer unter 5 Stunden vollzumachen. Und ich Blödmann gebe dem Schweinehund nach und steige aus, weil ich keine Lust mehr habe. Einfach keine Bereitschaft, mich noch etwas zu quälen. Das fühlte sich in dem Moment zwar verdammt gut an, aber am nächsten Tag so richtig scheiße. Klarer Fall: Rodgau-Kater! Wieso zum Teufel habe ich aufgehört, obwohl eigentlich alles in Ordnung war? Das nagt an mir.
Ich bin natürlich der, der nicht guckt.
Mimimi & Startverbot
Ein Erklärungsversuch: Mir ist es nie gelungen, das richtige Mindset zu entwickeln, wie man so schön sagt. Die Mechanismen, die ich sonst bei lange Läufen anwende, griffen nicht. Während ich mir auf einer Punkt-zu-Punkt-Strecke sagen kann: “Nur noch zwei Kilometer bis zum VP”, dachte ich in Rodgau: “Verdammt, noch fast eine halbe Runde.”
Im Nachgang hat mich meine mentale Schwäche so geärgert, dass mir meine Frau am Sonntag wegen des anhaltenden Mimimis mit Entzug der Starterlaubnis für Rodgau 2018 drohte. Apropos Sonntag: Als ich am Tag nach dem Rennen aufwachte und nahezu keinen Muskelkater spürte, ärgerte ich mich noch mehr. Andererseits war mir spätestens da absolut klar: Das DNF lag nicht an Rodgau, es lag nicht an mangelnder Vorbereitung, sondern es war ein Kopfproblem. Wenn man keinen Sahnetag erwischt, dann muss man das eben mit mentaler Härte ausgleichen. Das habe ich leider am Samstag überhaupt nicht geschafft und der Verlockung nachgegeben, die sich durch den Rundenmodus bietet.
Beine ausschütteln, Kopf lüften und das Ding abhaken
Die 50 Wochenend-Kilometer habe ich dann am Sonntag vollgemacht. Eine gute Stunde mit knapp 400 Höhenmetern ging es über verschneite Trails und durch die sonnigen Weinberge. Und die Beine wollten einfach nur laufen, laufen, laufen. Kein Wunder: An ihnen hatte es ja auch am wenigsten gelegen. Und nachdem ich die Beine ausgeschüttelt und den Kopf gelüftet hatte, war das Thema Rodgau 2017 auch endgültig abgehakt. Manchmal verliert man halt und manchmal gewinnen eben die anderen. Der Lauf kommt auf meine “Mit dir habe ich noch eine Rechnung offen” Liste. Dort steht bislang nur der Albmarathon, das alte Biest. Auch 50k, aber keine Runden.
Nach meiner Premiere kann ich jetzt jedenfalls allen zustimmen, die sagen, dass der Rodgau Ultra speziell ist. Die Rennerei im Kreis muss man mögen oder sich eben darauf einstellen. Denn die Strecke ist ungefähr so aufregend wie die Ziehung der Lottozahlen – wenn man keinen Schein ausgefüllt hat. Umso spektakulärer ist aber das Gemeinschaftsgefühl, dass man auf der Strecke, aber vor allem davor und danach empfindet. Es ist einfach herrlich, wenn man schon mit Namen begrüßt wird, nachdem man gerade aus dem Auto gestiegen ist und dann bereits auf dem Weg zur Startnummern-Ausgabe weitere bekannte Gesichter entdeckt. Außerdem ist der Jahresauftakt in Rodgau die perfekte Gelegenheit, um aus virtuellen Bekannten echte Lauffreundschaften zu machen. Lest dazu auch auf jedenfalls das hier. War schön, Euch alle getroffen zu haben.
Hoffentlich dann auch 2018 wieder zur großen Revanche.
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